Mittwoch, 5. Januar 2011

in Europa geht man nicht einfach

Gespräch bei einem Abendessen zwischen Deutschen und Franzosen in Wales. Die Deutschen mokieren sich über die wahrgenommene Unbeholfenheit der Briten beim Begrüßen oder Verabschieden. Da Händeschütteln scheinbar dem Erstkontakt mit dem lokalen Königshaus vorbehalten ist, entsteht bei Besuchen manches Mal ein peinlicher Moment. Verabschieden wir uns mit Winken oder drehen wir uns gar einfach um und gehen  ganz ohne etwas zu sagen? Alles schon gesehen. Den Deutschen fehlt ohne Zweifel ein vertrautes Ritual, was ihnen die Hintergründe einer Situation erschliessen hilft. Auch Emails ohne jegliche Anrede und Grußformeln erscheinen ihnen als aggressiver Akt und sie tun sich schwer, solches Verhalten einzuordnen. Die Franzosen am Tisch nicken energisch und zeigen Verständnis. Seltsame Eingeborene auf dieser Insel. Aber das wusste man schon lange, schliesslich gibt es im Französischen gar den Ausdruck "filer à l'anglaise" (wörtlich: sich auf Englisch verabschieden) für ein Weggehen ohne weitere Erklärung oder Verabschiedung. Deutsche und Franzosen lassen sich diesen Begriff auf der Zunge zergehen und untermalen die Stoffeligkeit der Inselbewohner noch mit einigen Anekdoten.
Dann reisen die Franzosen ab, sagen dabei ordentlich, "tschüss", und die Deutschen schlagen den Begriff "sich auf englisch davon machen" erstmal nach, um bloß nichts falsch zu schreiben. 
Dabei machen sie eine erstaunliche Entdeckung: Ja, es gibt den Begriff "filer à l'anglaise" wirklich, er wird im Französischen auch genauso genutzt. Aber (!) den Ausdruck  für ein verstohlenes Davonmachen gibt es auch im deutschen, spanischen und englischen. Im  Englischen heisst die Bezeichnung "french leave", in Spanien "despedirse a la francesa" und auf deutsch sagte man wohl früher dazu "sich auf Französisch empfehlen". Hier steht auch, warum dieser Ausdruck sich im Deutschen gebildet hat. 

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